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Valeria JanaundAugust

Wir lassen Land und Mittelmeer hinter uns

8. April 2012
By Jenny
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Um 5 Uhr in aller Früh die Durchsage: Good morning crew, everybody on
stand-by for and aft. Alles klar machen an Bug und Achtern, wir schiffen
aus.

Inzwischen sind wir 3h unterwegs. Heute im Verlauf des Tages werden
wir das Land hinter uns lassen. Für ein paar Tage gibt es dann nur noch
Wasser und Himmel zu sehen. Zwar fahren wir nördlich unweit der Azoren
vorbei, aber im Abstand von 180 Seemeilen. Da der höchste Punkt auf den
Azoren nur 2300 m hoch ist, reicht das nicht für Sichtweite. Weil jede
Abweichung vom Großkreis, der kürzesten Verbindung zwischen zwei Punkten
auf einer Kugel, kostspielig ist, haben wir kaum eine Chance, den Kapitän
von einer spontanen Routenänderung zu begeistern.

Etwa 800 Tonnen Schweröl braucht ein Schiff unserer Größe, um den Atlantik
zu überqueren. Noch fährt man quasi mit Straßenbelag, also minderwertigem
Schweröl, sagt der Chefingenieur. Man sieht es an Deck an den kleinen
schwarzen Schmiekügelchen, die in Windrichtung an Boden und Geländer
kleben. Aber selbst das verbrauchte Schweröl wird noch von speziellen
Firmen aufgekauft und weiter verarbeitet. Bald ist jedoch Schluss mit den
Dreckschleudern, denn die Bestimmungen für Schwefel- und Rußemissionen
sind angezogen worden. Global dürfen es aktuell maximal 4.5% Schwefelgehalt
im Brennstoff sein, ab 2025 nur noch 0.5%. In Nord- und Ostsee gilt bereits
1% und im Jahr 2015 will man bei 0.1% sein. Das ist gut für die Umwelt,
stellt die Reedereien jedoch vor enorme Probleme. Teilweise fahren die
Schiffe inzwischen mit drei Tanksystemen, so dass je nach verlangter Norm
auf anderen Treibstoff umgestellt werden kann. In der Ostsee wird wohl ein
Großteil des Lastverkehrs wegen der hohen Umrüstungskosten auf die
Straße verlagert werden – ein klassischer Boomerang-Effekt.

Zur Besatzung gehören neben uns 24 Leute: der Kapitän, 3 nautische
Offiziere, der Chefingenieur, 4 weitere Ingenieure und Mechaniker, ein
Zeugwart, ein Bosun, 5 Seeleute, 3 Steuermänner, ein Koch, 2 Stewards und 2
Trainees. Kiribatis, Deutsche, Philippinos. Man arbeitet in Schichten, auf
der Brücke in 4h-Schichten, im Maschinenraum sind es 8h. Das gilt auch an
Sonn- und Feiertagen, im Hafen und bei häufigen Ein- und Ausfahrten sammelt
sich deutlich mehr an als die offizielle 40h-Woche. Feiertage merkt man an
Bord eigentlich nur an Kleinigkeiten. Zum Beispiel hat der Chefingenieur 3
Tortenbögen gebacken, um für Ostermontag eine Torte zu basteln. Auch gibt
es sonntags und donnerstags – das ist der Seemannssonntag – ein Stück
Kuchen zum Kaffee. An Bord ist eben immer etwas zu tun und wenn die
Dienstzeit auf See rum ist, ist man auch urlaubsreif. Wie lange man auf See
ist, hängt vom Vertrag ab – üblich ist zum Beispiel 3 Monate arbeiten, 3
Monate Pause. Es gibt aber auch 1.5 Monate zu 1.5 Monate. Die Kiribatis an
Bord bleiben ganze 11 Monate, was schon eine Verbesserung ist. Vor ein paar
Jahren waren 2 Jahre keine Seltenheit.

Kurz nach dem Abendbrot scheucht uns der 1. Offizier an Deck – Wale kann
man nicht alle Tage sehen und tatsächlich zieht eine Herde entlang. Ob es
nun Schwertwale, Grindwale oder noch etwas anderes waren, lässt sich nicht
beurteilen. Wir sehen nur Wasserfontänen und ab und an ein Stück Rücken.
Die Wale kommen gerade passend, denn die Thunfischschwärme ziehen jetzt
vom Atlantik ins Mittelmeer. Dank einer Doku können wir erahnen, was für
ein Fressen und Gefressen werden unter uns zu Gange sein muss.

Zum Schluss noch eine erschütternde Nachricht: per Wetterschlagzeilen wird
neben Warnungen vor toten Walkörpern auch durchgegeben, wenn ein Schiff
vermisst wird. Dann ist man auf der Brücke alarmiert, falls Seehilfe zu
leisten ist. Heute kam die Meldung rein, dass ein Boot mit 30-40 Personen
nicht wieder gesichtet worden ist. Das kann heißen, dass es in Seenot
geraten ist oder dass es keine Anmeldung im Hafen gab, obwohl der Kurs das
hätte erwarten lassen. Freizeitsegler sind wohl gelegentlich nachlässig
und die besorgte Verwandtschaft setzt alles in Gang, um die Verschollenen
zu finden. Gemessen an der Anzahl der Personen auf dem betroffenen Boot
handelt es sich bei der Meldung wohl eher um ein Flüchtlingsboot aus
Afrika.

Essen: Omlette mit Ei und Paprika, Nudelsuppe und Schweinesteak mit
Mais-Gemüse und Eis mit Eierlikör und Obst, Torte, Kartoffelsalat und
Würstchen

transatlantik

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